Schefczyk macht Musik

Jahr: 1988  Format: LP

COVER
Cover
TITELLISTE
1
Frühlingsstrahlen
5:11
2
Wieder mal einen Sommer gelebt
5:14
3
Musik oder nicht?
2:27
4
Nastasja Filippowa
3:24
5
Die Hölle auf Erden
4:49
6
Ja Hauptsach' s'isch Englisch
3:21
7
Gedanken wie Vögel
3:20
8
Andante für zwei Violoncelli
7:33
9
Ein runder Mensch
5:35
10
Komm, Bruderherz!
1:48
KOMMENTAR

Eine echte Liedermacher-LP, auch wenn Joschi Schumann seine Texte spricht und nicht singt. Die zehn Titel der LP, von der es noch Exemplare der zweiten Auflage gibt, sind höchst abwechslungsreich: Es geht um Gott und die Welt, den Eisbach im Englischen Garten und die Sonne als unerschöpfliche Energiequelle.

Von Balladen über Instrumentalstücke (wie z.B. das „Andante für zwei Violoncelli“), bis hin zur einmaligen Rock-Version des SCHEFCZYK-Klassikers „Ja Hauptsach` s`isch Englisch“, einer selbstkritischen und -ironischen Persiflage auf das Englisch-Singen deutscher Bands. Zusammen mit dem musikalischen „Glaubensbekenntnis“ „Musik oder nicht?“ wurde es auf der „Best of 20 Years SCHEFZYK – Cello`s still burning!“-CD 2002 wieder veröffentlicht.

LIEDTEXTE
Wieder mal einen Sommer gelebt

Wieder mal einen Sommer gelebt
und wieder fallen bunte Blätter von herbstlichen Bäumen.
Nur wenig hat sich verändert in diesem letzten Sommer –
freilich, getan hat sich vieles – aber, mal ehrlich,
nur wenig in der Richtung auf den großen Traum,
den jeder träumt – und natürlich:
Man hat wieder mal einen Sommer gelebt.

Am Ufer des kristallklaren, eisigen Baches
den bloßen Körper der Sonne entgegentragen,
kühles Bier im heißen Schatten des Chinesischen Turms,
auf weiten Reisen malerische Landschaften mit allen Sinnen auskosten!
All das unvergesslich geschehen,
all das aus dem übervollen Kelch des Lebens,
aber nicht die Erfüllung des großen Traumes – und nebenbei:
Man hat wieder mal einen Sommer gelebt.

Wehleidiges Gejammer eines ewig Unzufriedenen?
Oder lebensnotwendige Einsicht, daß es noch mehr zu erleben geben muß?
„Genug kann nie genügen!“ singt Konstantin Wecker
und ausgerechnet ich soll mich begnügen?

Der große Traum ist die Antriebsfeder des Lebens,
doch sollte nicht hin und wieder Zeit sein für die Besinnung:
Ich habe einfach wieder mal einen Sommer gelebt?

Frühlingsstrahlen

Es müssen diese ersten Frühlingsstrahlen gewesen sein, die mir die Welt heute so bunt und rund erscheinen lassen. Von irgend woher haben sie dieses unbandige Gefühl mitgebracht: Nicht billige Selbstzufriedenheit, sondern tiefgründige Zuversicht, dass neue Zeiten kommen und dass man mit dem Gewesenen einverstanden sein kann.

Vorbei die Zeit, in der sich die Gegenwart mit der Vergangenheit im Tagebuch bekriegte – und verlor.

Vorbei die Zeit, in der die Augen der Vergangenheit mich verfolgten: Was wirklich gut war, hat Früchte getragen.

Vorbei die Zeit, den frühen Tod des Vaters annehmnen zu müssen: Unvergänglich lebt er fort: In Tönen, in Melodien, in Klängen.

Glück hatte ich, als das Schicksal die Weltkugel unter meinen Füßen hundert Kilometer weiter drehte und mich in München landen ließ.

Glück habe ich, dass ich in allem, was mir wichtig ist, vorankomme und mich darin spüren kann.

Glück habe ich, mit Dir zusammenzusein.

Nun frag einer diese warmen Sonnenstrahlen, die mitten im Winter von der Blüte und der Zukunft künden, was sie damit zu tun haben!
Ihre Anwort garnicht erst abwartend werde ich sagen:

Es müssen diese ersten Frühlingsstrahlen gewesen sein, die mir die Welt heute so bunt und rund erscheinen lassen.

Gedanken wie Vögel

Seht nur die Gedanken! - Weit im sonnigen Süden haben sie Zwischenhalt gemacht. Ganz verschiedene schwirren wirr durcheinander. Als Tummelplatz haben sie sich das Hirn jener Mischung aus programmiert arbeitslosem Akademiker und vernunftgesteuert-halbe-Kraft-fahrendem Liedermacher gewählt.

Bei diesem, durch die ersten Urlaubstage dem eigenen minutiösen Arbeitsplan langsam entrückten und durch einigen Rotwein aufnahmebereiter gemachten Zwitterwesen, finden sie alle Platz und alle tauchen sie gleichzeitig auf.

Stürmisch toben sie umher, deuten an – ja, das sollte schon immer einmal Gestalt annehmen – und sausen flugs hinweg. Durch das wilde Getümmel vermeintlich auf eine der seltenen Stunden aufmerksam gemacht, greift er zu Papier und Schreiber.

Doch ausgerechnet heute sind die Gedanken so unbeständig
und ihm bleiben nur:
Diese Zeilen.

Ein runder Mensch

Eigentlich ist er ja Student und aus dem Grunde hin und wieder an der Uni. Immer gibt’s da bestimmte Dinge, mit denen man sich einfach täglich beschäftigen sollte. Und so legt er sich einen Stapel Bücher unters Kopfkissen, um vor dem Schlafengehen nochmal hineinzuschauen.

Wie gesagt, eigentlich ist er ja Student, aber noch eigentlicher ist er Musiker und auch da gibt’s Verschiedens, das man einfach warmhalten sollte: Unters Kopfkissen damit! Und Etüden lernt man sowieso am Besten auswendig, wenn man sie vor dem Einschlafen nochmal durchgeht. Anstrengend schon, aber:

Er will ein runder Mensch sein!


Und wer will schon uninformiert sein? Es macht ja nichts, wenn die Zeitung unterm Kopfkissen ungelesen den Abend erlebt. Und ganz wichtig ist der Sport für den Menschen. Es langt ja, einmal am Tag, so kurz vor dem Einschlafen ein paar Übungen aus dem Gymnastikbuch zu machen. Anstrengend schon, aber:

Er will ein runder Mensch sein!


Um 16 Uhr, wenn er dann anfängt, ins Bett zu gehen, schaut ihm sein Kopfkissen von einem Meter Höhe über dem Laken entgegen, denn drunter türmen sich die Bücher.

Aber nachdem er ein paar Liegestützen gemacht hat, vor dem linken Auge das Buch „Mein VW-Bus und ich“, vor dem rechten die „Süddeutsche“, vor dem inneren eine stereotype Schneise durch Hesses Romane geschlagen und Sevciks Bogentechnik mental trainiert hat, endet sein Tagwerk – das Kopfkissen ist da, wo es hingehört und erschöpft fällt er ins Bett.

Vom Eisbach bleibt ihm nur das Träumen …

… sein hüllenloser Körper glüht , über ihm der wolkenlose, blaue Himmel und diese unerschöpfliche Quelle, die die Lebensgeister mit neuer Kraft versorgt.

Die Frau neben ihm, mit der er eine Mass Bier teilt – es muss nicht unbedingt die eigene sein – lässt ihren baren, braunen Busen in der Sonne blinken. Der Monaco-Franze zwinkert ihm Grüße herüber und den Somnnenstrahlen entlang, schickt er die Worte:

Ich will ein runder Mensch sein!

Die Hölle auf Erden

(Nach Genesis 1,1 - 31)

Am Ende schuf er die Hölle, denn die Erde war ihm zu schön und seinesgleichen zu friedlich.

Er sprach: Die Nahrung werde unbrauchbar!
Und diie Lebensmittelvergifter gingen ans Werk. Manches mußten sie zwar auf den Verpackungen angeben, vieles aber mußten die Menschen so schlucken.

Er sah, daß es gut war.
Es wurde Abend, und es wurde Morgen: erster Tag.

Dann sprach er: Das Wasser werde ungenießbar!
Und die Menschen ließen die Abwässer ihrer chemischen Fabriken in die Flüsse und machten den Fischen den Garaus; Seen kippten reihenweise um und das Meer wurde verseucht.

Er sah, daß es gut war.
Es wurde Abend, und es wurde Morgen: zweiter Tag.

Dann sprach er: Es werde einsam!
Und der Mensch richtete durch seine Bequemlichkeit den Wald, sowie die übrige Pflanzen- und damit auch die Tierwelt zugrunde.

Er sah, daß es gut war.
Es wurde Abend, und es wurde Morgen: dritter Tag.

Dann sprach er: Es werde ungerecht!
Und die reichen Industriestaaten nahmen rücksichtslos, was sie kriegen konnten. Durch ihren immensen Konsum stahlen sie Millionen von Menschen in den ärmeren Ländern die Lebensgrundlage.
Er sah, daß es gut war.
Es wurde Abend, und es wurde Morgen: vierter Tag.

Dann sprach er: Es werde verstrahlt!
Und nur wenige Schicksalseinheiten nach Tschernobyl geschah wiederholt das, was eigentlich nur alle 10.000 Jahre hätte passieren hätte können dürfen.

Er sah, daß es gut war.
Es wurde Abend, und es wurde Morgen: fünfter Tag.

Dann sprach er; Es beginne das letzte Sterben!
Und die Menschen machten Krieg. Die Obersten der Weltmächte in ihren Führerbunkern zertrümmerten die roten Telefone und drückten stattdessen die roten Knöpfe. Die Geisteskrankheit grassierte und weitete den Konflikt auf den ganzen Erdball aus. Auch die letzten Überlebenden, die der Wahnsinn aus ihren Bunkern trieb, fanden nichts mehr vor, wovon und wofür sich zu leben lohnte.

Er sah, daß es gut war.
Es wurde Abend, und es wurde Morgen: sechster Tag.

Hatten nicht die ersten Menschen bei ihrer Erschaffung fälschlicherweise verstanden: „Seid furchtbar, und dezimiert euch, entvölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.“?


Im Neu-Anfang schuf Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde; die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut, und Gottes Geist schwebte über dem Wasser …

Komm, Bruderherz

Komm, Bruderherz! Jetzt noch ein Glas Wein!
Und lass uns von den guten alten Zeiten reden.
Na klar, noch sind wir jung genug,
die Gegenwart
zu machen.

Und doch, man kann nicht, so wie wir normalerweise,
zu jeder Zeit nur Wunder wirken.

Drum halt die Zeit und Zeit halt ein!
Komm, Bruderherz! Jetzt noch ein Glas Wein!

Musik oder nicht?

Ja ich mag den Funk, aber auch mein Cello,
ich mag auch den Rock, die Romantik, logo.
Schon lang, lang ists her, ich macht` mir zu eigen,
nur selbst ist der Mann, anstatt nachzugeigen.

Ich laß gern das Singen, das kann ich nicht gscheit,
viel lieber da sprech` ich, da weiß ich Bescheid.
Die Lieder verändern nur zögernd die Welt,
doch ich tu das meine, und nicht wegs am Geld.

Musik oder nicht, daß ist keine Frage,
die Welt ohne Töne die reinste Plage
Das Musikerbrot, das ist nicht kommod`,
doch Musik ist aller alltägliches Brot.

Drum raus aus dem Keller und auf die Bühne,
dort drunten kannst schimmeln, im Lichte blühe!
Die zaudernden Fragen, die schmied` mer jitze
zu deutlichen Rufen in unsrer Hitze!

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